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Erfahrungsbericht
einer Lehrerin aus Auenstein:


Sehr geehrter Herr Paul ...

Sehr geehrter Herr Paul,

nachdem wir so nett am Telefon zusammen geplaudert haben und Sie auf indirekte Art und Weise ein Jahr lang meinen Unterricht in der Klasse 1c belebt haben, hier eine Art "Erfahrungsbericht".

Ich heiße Elke Hanisch, bin 37 Jahre alt und habe eine vierjährige Tochter. Nach drei Jahren Erziehungsurlaub wurde ich an eine neue Schule versetzt und hatte die Ehre, zum ersten Mal Klassenstufe eins zu unterrichten. Ich war sozusagen von oben nach unten "gerutscht", war von der Hauptschule in den Anfangsunterricht "geraten".

Etwas zögernd besuchte ich eine Nachmittagsveranstaltung von Ihnen, Herr Paul. Ich dachte: "So Unsinnsverschen machen, das kann ich doch auch". Aber dann entpuppten sich die wenigen Stunden bei Ihnen als voller Erfolg für meinen Unterricht.

Ritualspender

Meine Klasse besteht vorwiegend aus Jungens - wild, lebhaft, kaum fähig, still zu sitzen, so gar nicht "brav". Und die wenigen Mädchen sind auch noch kritisch.
"Das ist doch langweilig", pflegen sie bei fast allem, was ich vorschlage, zu sagen. Da gilt es, sich nicht beirren zu lassen und feste Rituale einzuführen. Nur wie ? Mit der Fibel, die okay ist aber eben langweilig (Mimi, die Lesemaus) ? Mit meinem Akkordeon, das schwer um meinen Hals hängt und manchmal noch recht schief klingt? Mit Drohen und Schimpfen?
Nun - die CD "Der starke Tiger Theodor" beantwortete meine Fragen. Ich benutzte das Anfangslied (ABCDEFG) als "Ritualspender". Sobald ich eine Arbeitsphase änderte, ließ ich das Lied erklingen. Die Kinder wussten, dass es nun ans Aufräumen ging oder in die Pause oder dass der Unterricht nach diesem Lied beginnen würde. Bald kannten sie es auswendig durften es vortragen (ohne Sprachfehler, die verbesserte ich gleich). Viele Kinder drücken sich undeutlich aus, so als hätten sie nie jemanden gehabt, der ihre Sprache korrigiert hätte.

Fächerübergreifend

Soweit zu den Ritualen, die täglich eingehalten werden konnten dank einer Melodie, die die Kinder mochten und die sie noch nicht kannten.
Nun geht es im ersten Schuljahr hauptsächlich darum, fächerübergreifend die Buchstaben zu erlernen. An unserer Schule gilt die Ansicht, jeden Buchstaben einzeln einzuführen. Man lernt das Lesen also nicht durch Schreiben und durch keine vorgegebene Anlauttabelle, sondern auf die altmodische Art und Weise, so nach dem Motto: "Jeder Woche einen Buchstaben, da kommen auch die schwächeren Schüler ans Ziel". Ich kritisiere keine Methode, da ich der Meinung bin, jede Art, das Lesen einzuführen, beinhaltet Stärken und Schwächen. Ich kritisiere lediglich unsere Fibel. Die ist auf einer niedlichen Maus aufgebaut, welche jedoch nur etwa sechsmal in der Fibel agiert. Ansonsten beherrschen fremde Texte den Buchstabenaufbau. Wie soll ich da eine klare Linie hineinbringen ? Wie sollen sich die Kinder an etwas gewöhnen, das in der Fibel kaum erscheint. Da half mir erneut das "Theodorprogramm". Jede Woche einen Buchstaben - jede Woche ein Mausini-Lied. So wurde das gemacht. Manche Lieder kamen sofort an (Adam, der Affe). Andere Texte und Lieder mochten die Kinder nach dem ersten Mal Anhören nicht gleich (Esel essen gerne). Diese Reaktion ist normal, finde ich. Jedoch gelang es mir stets, das Interesse an dem neu eingeführten Buchstaben zu erhalten, indem ich ihn fächerverbindend unterrichtete. Die Kinder sammelten beispielsweise "Eselsdinge", malten eine Eselsgeschichte, nahmen ihr "Theodorbuch" in die Hand und bearbeiteten dort die Eselsseite. Und schließlich wollten sie das Lied einfach nur nachsprechen, beziehungsweise nachlesen. Und sie tanzten zu dem Eselslied, und es fing an, ihnen vertraut zu werden.

Sprachschwierigkeiten

Nächstes Problem:
Da habe ich achtjährige Schüler gemischt mit noch fünfjährigen. "Toll" - wie soll man da unterrichten ? "Der starke Theodor" gab uns allen die Möglichkeit zur Differenzierung. Auf der einen Seite hörten alle Kinder das gleiche Lied, auf der anderen Seite konnten sich einzelne "Talente" hervorheben. Das "Lesegenie" las Texte "brav" vor, der "Aggressive" bewegte sich ausgelassen, der Schüler mit den Sprachschwierigkeiten (hätte ja eigentlich auf die Sonderschule gehört, so die Lehrer an seiner vorherigen Schule) lernte mit Eifer die Ulkverse auswendig und sprach zunehmend deutlicher. Das schüchterne "Schülerwesen" öffnete sich durch die Musik und dadurch, dass ich vormachte, wie "man es machen könnte" der "Strebertyp" beobachtete, kritisierte, machte besser und spornte die anderen an, genau aufzupassen, sich zu konzentrieren. So nach dem Motto:" Sagt sie auch alles genauso wie beim letzten Mal?" Und wenn ich einen Fehler machte, wie geht man dann mit diesem um? Man lernt Toleranz. Und mein schwierigster Fall, der "Spielertyp", der, der nie schreiben will, der nie lernen will, der keine Freunde hat und nur Spielzeug mit in die Schule bringt? Der kritzelte zuerst einmal verloren in sämtlichen "Theodorbuchseiten" herum. Er fand alles in der Schule doof und wollte heim zu Mama. Und dann kam die Musik dazu, die Bewegung, einfach, nicht schwierig. Und er beginnt, freiwillig die Buchseiten aufzuschlagen, die gerade auf dem CD player ertönen. Er lernt das Lesen, indem er immer wieder die gleichen Texte anhört. Ich kann es kaum glauben. Er muss oft nachsitzen, der verspielte Junge. Hat kein so gutes Elternhaus, ist oft aggressiv und wird natürlich gemaßregelt. Dann will er Mausinilieder hören, will sein Buch hinzunehmen und Mausinigedichte abschreiben. Ich weiß, keine so tolle Art der Differenzierung. Aber mal ehrlich, sind wir nicht alle froh, wenn auch der schwierigste Schülertyp (und wir bekommen immer mehr von diesen) Freude am Lesen und Schreiben empfindet?

Klassenfeste

Nächste Sache: Die Eltern. Sie wollen sehen, was ihr Kind leistet und kann. Wer lässt sich schon gerne sagen, dass sein Sohn oder seine Tochter nicht so toll ist ? Das will keiner hören. Und schon kommen sie auf mich zu - die Klassenfeste. Ätzend - nicht ? Was mache ich da bloß wieder ? Mit wenig Zeitaufwand viel erreichen - wie schaffe ich das ? Und wieder hilft mir der "Theodor". Bei einer Buchstabenfeier stellt jeder Schüler einen ABC Gesellen dar, zum Schluss entsteht unser Klassenslogan: "Lesen macht tierisch Spaß". Und weil die Buchstabenkarten immer nur einmal vorhanden sind (in der Mappe meine ich), muss man eigene herstellen. Da ist Phantasie gefragt und die Differenzierungsmöglichkeiten gehen nicht zu Ende. Toll.

Natürlich wird der "Theodor" auch bei Geburtstagsfeiern eingesetzt. Vom "heiteren Tiereraten" bis hin zur "Stillen Post" ist da alles möglich. Den Kindern gefällt das "Vertraute ". Denn nur wer Vertrauen hat, kann weiterdenken und eigene Ideen entwickeln.

Mathematik

In der Mathematik dürfen die Schüler manchmal die Wörter von einem ABC Tier nachzählen oder die Buchstaben. Bald entstehen eigene Textaufgaben. Man nimmt von dem Karinagedicht (erste Strophe) die letzte Zeile weg, wie viel Wörter haben wir noch ? Die Kinder lernen spielerisch zählen, rechnen und bald können alle mit Bezeichnungen wie "Zeile, Komma, Punkt oder Absatz" umgehen. Die Texte sind kurz, übersichtlich und groß geschrieben, keine so Mammutgeschichten wie in der Fibel. Uns gefällt das.

Endlich ist es soweit, 20 Buchstaben sind eingeführt worden, nun kommt der Briefkasten an die Reihe. Unsere Fibelhandpuppe (wie gesagt, eine Maus) besucht die "Theodortiere". Jeder Schüler ist ein bestimmtes Tier. An dieses schreibt die Maus. (Die bin natürlich ich). Nun lesen die Schüler ihren Brief und fangen an, zurückzuschreiben. Manche malen lieber, die meisten aber schreiben an ihre Fibelmaus. Sie tun so, als seien sie selbst das Tier. Und fangen an, Informationen über Tiere zu sammeln. Toll. Da kommt einiges an Material zusammen. Da wird über Europa geredet und die restlichen vier Kontinente. Das darf sein, jetzt wo bald der Euro kommt, oder ?

Richtlinien

Und so könnte ich noch endlos weitererzählen. Wenn Sie, lieber Herr Paul etwas mit diesem Schreiben anfangen können, auch wenn dessen Sprache stellenweise salopp ist, dann freue ich mich für Sie. Wenn nicht, wegschmeißen. Falls zu mager, anrufen. Ich bin kein supertoller Lehrer, kein Mensch, der seinen Beruf zu ernst nimmt. Das ist bereits meine dritte Ausbildung. Aber ich brauche einige Richtlinien, an die ich mich halten und die ich ausbauen kann. Ich möchte vorbereitet sein, ohne stundenlang vor dem Schreibtisch zu sitzen. Phantasie will ich kombinieren mit klaren Zielen. Und diese Kombination ist mir gelungen. Das zählt, darüber bin ich dankbar und froh.

Ihre Elke Hanisch

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